An diesem 24. September 1990, es war zufällig der 55. Geburtstag meines Vaters, eilte ich vom Dienst in der Klosterstraße etwas eher in die Kongresshalle. Ich wollte meinen Vater erleben, wie er über über 1.000 ihm unterstellten Lehrern und Hortnerinnen (so nannte man Horterzieherinnen damals) sprach. Es ging auch um Personalüberhänge und sinkende Schülerzahlen und Vergleiche mit Westberlin. Natürlich gab es Ängste vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Ich saß in der ersten Reihe neben meines Vaters Stellvertreter Peter Koepke, seine Staatssekretär. Mein Vater reagierte auf die vielen Ängste und gab das Versprechen ab, dass niemand in Ostberlin betriebsbedingt gekündigt wird. Der Schulsenatorin Volkholz fiel die Kinnlade runter, im Saal war für eine Sekunde Totenstille, dann brandete hundertfacher Applause auf. Ich rutschte ganz tief in den Sessel und murmelte nur, "Vater, wie kannst du so etwas sagen, die Wahlen stehen erst im Dezember an und keiner weiß, was wird..." Peter Koepke grinste, klopfte mir auf die Schulter und sagte: "Dein Papa weiß schon ganz genau, was er sagt. Vertrau ihm einfach!"
Zu dieser Zeit hatte mein Vater allerbeste Chancen, bei einem möglichen Wahlsieg, der Gesamtberliner Senator für Schule zu werden. Durch seine politische Arbeit hatte er sich ein hohes Standing erarbeitet.
Bei den Wahlen gewann die CDU und das Ressort wurde ihr überlassen und Senator wurde Jürgen Klemann, mit dem sich mein Vater übrigens sehr gut verstanden hat. Mein Vater war 5 Jahre lang Vorsitzender des Schulausschusses im Abgeordnetenhaus von Berlin. Es standen Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD an. Mein Vater wurde Verhandlungsführer der SPD für die Bildungspolitik. Sein Pendent auf CDU-Seite war die berühmte ehemalige Schulsenatorin und vormalige Kultusministerin von Rheinland-Pfalz, Hanna-Renate Laurin, unter Kennern auch wegen ihrer knallharten Art, die sie an den Tag legen konnte "Hanna-Granate" genannt.
Er konnte sie davon überzeugen, dass um den Erhalt des Friedens dieser Stadt Willen, dem Schmelztiegel der Deutschen Einheit, auf Personalüberhänge nicht mit betriebsbedingten Kündigungen reagiert werden durfte. Hanna-Renate Laurin war nicht nur erzkatholisch sondern auch politisch hochintelligent und hatte verstanden. Allerdings musste der künftige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen noch überzeugt werden. Das ist gelungen und sogar noch viel mehr. Aus dieser Einigung für die Schule machten die Koalitionäre ein Versprechen für den gesamten Öffentlichen Dienst. Es ist nicht zu dick aufgetragen, wenn ich sage, mein Vater war der "Erfinder" des Ausschlusses betriebsbedingter Kündigungen in ganz Berlin ab 1991. Alles fing mit einem Versprechen einige Monate zuvor an ...
Dieser Peter Koepke war ein hochanständiger Mann und absolut loyal gegenüber meinem Vater. Jahre später schlug er ihn sogar für den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland am Bande vor, was leider im Pankower Rathaus offenbar unbeachtet blieb. Das übrigens habe ich dem damaligen Bezirksbürgermeister Dr. Jörg Richter, sehr übel genommen.