"Wir danken Dir für Deine Wärme, Deine Liebe und Fürsorge. Wir sind stolz, daß Dein Leben
geradlinig und ehrlich war. Wir sind traurig, weil Du nicht mehr bei uns bist.
Dieter Pavlik, Stadtrat a.D.,
ehemaliges Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin
wurde am 11. Februar 2000 im Alter von 64 Jahren von seinem schweren Leid erlöst.
In unseren Herzen bleibst Du bei uns!"
Mit dieser Traueranzeige in der Zeitung teilten wir im Februar 2000 den Tod unseres Vaters mit. Mein Vater war so: Zuerst sorgte er sich um die Kinde rund um seine Frau. Wenn dann noch Zeit, Geld oder eine Möglichkeit war, dachte er auch mal an sich. Als ich etwa 14 war, sagte meine älteste Schwester Marita (1960-2004): "Wenn ich meine Eltern mit einem Satz beschreiben sollte, würde ich sage: Meine Mutter ist meine ganze Liebe und mein Vater mein ganzer Stolz!" Den Satz habe ich mir über die Jahrzehnte gemerkt und genau so kann das jedes der Kinder sagen. Mein Vater hat mir etwas sehr wichtiges beigebracht. Er sagte, was immer du im Leben tust und welche Entscheidung du triffst, du darfst dich beim Rasieren morgens niemals ekeln, wenn du in den Spiegel guckst. Ich habe mich daran gehalten, diese Haltung verschafft nicht ausschließlich Freunde, vielleicht bekommst du mehr Nackenschläge, wenn du mit geradem Rücken durch das Leben gehst, auch und gerade durch den Beruf. Aber ich finde es unerlässlich. Das Spiegelbild ist enorm wichtig.
Die Suspendierung vom Schuldienst
Mein Vater war kein Revolutionär, aber er ist als junger Lehrer ein paar mal mit der Obrigkeit in Konflikt geraten. Wenige Wochen nach dem Mauerbau 1961 hieß es an seiner Schule, dass der Schulinspektor vom Prenzlauer Berg in die Schule kommt und sich von der Staatstreue der Lehrer überzeugen will. Deshalb sollten alle Fach- und Klassenlehrer einen handgeschriebenen Zettel an ihre Tür heften, auf dem stand, dass sie jederzeit mit der Waffe in der Hand bereit seien, die DDR, ihre sozialistische Heimat zu verteidigen. Mein Vater war knapp 26 und rebellisch und teilte mit, dass es ihm zu blöd sei, einen solchen Zettel ans Chemiekabinett zu kleben. Es ist unter seinem Niveau. Die älteren Kollegen guckten entgeistert und ängstlich. Der Schulinspektor kam durch und sah, alle hatten diesen Zettel an der Tür - außer Dieter Pavlik. Er sollte im Lehrerzimmer für diese antisozialistische Haltung im Beisein des Inspektors "Stellung nehmen". Mein Vater guckte sparsam, sagte, dass sei ihm alles zu blöd, warf sein Schlüsselbund mit den Schulschlüsseln auf den Tisch und ging nach Hause. Er wurde mehrere Wochen suspendiert. Aber nicht er kam angekrochen, sondern der Apparat. Er war bereits einer der beliebtesten Lehrer bei den Schülern und außerdem der einzige Chemielehrer und deshalb wurde seine Suspendierung stillschweigend aufgehoben und so getan, als wäre nichts passiert. Die älteren, ängstlichen Kollegen klopften ihm auf die Schulter "Mensch Dieter, du bist ein mutiger Kerl..." Im Zusammenhang mit der Niederschlagung des "Prager Frühling" 1968 eckte er noch einmal im Volksbildungsapparat an. Dann aber rekapitulierte er für sich, dass es als Vater von 4 Kindern nicht verantwortungsvoll wäre, sich weiter mit dem Staat anzulegen und so suchte er sich auch seine "Nische" in der DDR. Dazu gehört auch das Zeltlager am Kölpinsee, von dem hier erzählt wird.