Die Bühne
Viele Menschen brauchen etwas, woran sie ihr berufliches Wohlbefinden festmachen. Manche stehen gern in der ersten Reihe, andere bleiben lieber im Hintergrund. Bei mir kommt es darauf an, ob es sich um "mein Terrain" handelt. Aber prinzipiell liebe ich den öffentlichen Auftritt, die politische Wahrnehmung dessen, was und wie ich etwas tue. Als Bezirksgeschäftsführer bei ver.di war ich politisch z.B. auch für die Tarifrunden des Öffentlichen Dienstes verantwortlich. Also die Steuerung, Organisation, Mobilisierung und Koordinierung der beteiligten Bereiche und Gewerkschaftssekretäre. Mir oblagen auch die Absprachen mit den zu beteiligen (Landes)Vorsitzenden der DGB-Partnergewerkschaften, die von der Tarifrunde betroffen waren. Also GEW bei Lehrern und GdP für die Bundes- oder Landespolizei und auch der DBB. Wenn wir Demonstrationen an Streiktagen planten und mit der Polizei als Versammlungsbehörde abstimmen mussten, war mir auch immer ein hoher Wahrnehmungsfaktor des Anliegens wichtig. Daher suchten wir möglichst viele Menschen aus dem ganzen Land in Potsdam als Landeshauptstadt zusammenzuziehen. Also aus den Behörden von der Uckermark und Frankfurt über Cottbus und Brandenburg. Zu einem guten Wahrnehmungsfaktor gehörte auch stets eine Route, bei der wir in Potsdam sowohl die Innenstadt (Luisenplatz, Bassinplatz) "blockierten" und auch die Straßenbahn für 2-3 Stunden nicht fahren konnte, weil die Straße unsere Marschroute war und natürlich auch große Hauptstraßen beeinträchtigt waren, weil der Autoverkehr durch die Polizei gestoppt werden musste.
"Martialisch" mussten unsere Warnstreikdemonstrationen sein. Deshalb immer mit "Kampftrommlern" vorweg, deren Trommeln in den schmaleren Straßen besonders laut war. Und ich ganz persönlich liebte auch die Auftritte auf diesen Bühnen und meine große Stärke war, Plätze zum kochen bringen zu können, an den Bauch der Streikenden zu appellieren und auch für Lacher zu sorgen. Ein verstorbener Kollege aus meinem Bezirk sagte einmal, man darf auch die Politiker, also Minister oder so anmachen. Jeder Politiker weiß, die Streikbühnen sind "die Reichsparteitage der Gewerkschaften" und auf denen ist fast alles erlaubt und das müssen die Politiker aushalten und trotzdem reden wir danach wieder miteinander, weil es nichts gibt, was man persönlich nehmen darf.
Um gut zu funktionieren und mich gleichzeitig wohl zu fühlen brauche ich nur drei Dinge: "Bühne, Publikum, Applause"