Eine Erinnerung und eine Mahnung zugleich anlässlich des Volkstrauertages 2025
Vorweg ein Satz zu einem NVA-Erlebnis. Ein Politoffizier schwadronierte 1987 in einer „Unterrichtsstunde“ vom Faschismus und den Faschisten und jeder Soldat war ein Faschist. Mein Opa war ab 1942 Wehrpflichtiger in Frankreich und ich verbat mir sehr deutlich, dass der Genosse Hauptmann meinen Opa als Faschisten bezeichnet. Dem Hauptmann mit den weißen Schulterstücken fiel, nach dem er den Mund wieder zu hatte, nur ein, mich rauszuschmeißen.
Aber ich schreibe hier über meinen Onkel Heinz. Heinz Kluge, geboren am 27. Juni 1919 in Berlin. Gefallen ist er wahrscheinlich im Monat Dezember 1943 in der Ukraine. Mein Vater hat ihn noch gut in Erinnerung gehabt. Auch die beiden Schwestern, also meine Oma und meine Tante haben viel von dem fröhlichen, aufgeweckten Kind erzählt, das einmal auf dem Kleiderschrank im elterlichen Schlafzimmer saß und diesen mit einer Säge aufsägte. Er wollte wissen, wie der Schrank von innen aussieht. Bei einem Umzug meiner Eltern 1989 oder kurz danach sind alle Dokumente weggekommen, ein ganzer Schuhkarton voll. Als Jugendlicher habe ich darin gelesen und mir einiges gemerkt.
Mir sind noch drei Briefe erinnerlich. In einem schrieben seine Eltern im Frühjahr 1943 an das Wehrkreiskommando Berlin-Friedrichshain und baten um Rückversetzung an die rückwärtige Front, weil sie Angst um ihren einzigen Sohn hatten, der übrigens als Wehrpflichtiger in Hitlers Krieg musste. Im anderen Brief war die Antwort des Führers des Wehrkreiskommandos. Er bürstete meine Urgroßeltern auf das Schimpflichste ab, ob sie sich nicht schämen würden. Ihr Sohn kämpfe für Führer, Volk und Vaterland und sie jammern hier feige herum…
Den dritten Brief habe ich auch noch sehr deutlich vor Augen. Er war mit lilafarbenem Kopierstift vom Kompanieführer geschrieben. Da stand: „...habe ich die schmerzliche Pflicht, ihnen mitzuteilen, dass ihr Sohn, der Unteroffizier Heinz Kluge, bei schweren Panzerabwehrkämpfen bei dem Dorf Marinowka am mittleren Dnepr, unweit Krementschuk den Heldentod für Führer, Volk und Vaterland gefunden hat…..seien sie versichert, dass ihr Sohn nicht gelitten hat...“
Es gibt kein genaues Todesdatum, kein Grab oder so. Vor über 20 Jahren stellte ich eine Anfrage an die WASt, leider erfolglos. Als ich 1999 meine große Liebe, die aus Tscherkassi stammt, dort heiratete, sprachen wir auch darüber. Sie und ihre Mutter hatten damit kein Problem, es war eben ein grauenhafter Krieg. Die Schwiegermutter fuhr 2003 mit mir alle Orte zwischen Tscherkassi und Krementschuk ab, ein Marinowka haben wir nicht gefunden. Möglicherweise war auch die Kleinstadt Mironiwka gemeint und falsch geschrieben oder ich habe es mir falsch gemerkt.
Der Volkstrauertag ist neben dem Gedenken für die Opfer der Kriege auch für die Mahnung für den Frieden gedacht. Ich glaube, hier schließt sich für mich zumindest auch der Kreis zum Heute. Hitlers Armeen, egal, wer Täter oder Opfer oder beides war, egal, wer woran geglaubt hat, haben unglaubliches Leid über die Völker Europas, insbesondere der Sowjetunion und hier wieder ganz besonders dem belorussischen und dem ukrainischen Volk gebracht. Furchtbare Gräuel, furchtbare Zerstörung, der "Holocaust der Kugeln"und unendlich viel Leid auf beiden Seiten, letztlich. Von den schlimmen Bürgerkriegen im zerfallenen Jugoslawien und der zerfallenen Sowjetunion abgesehen, hatten wir nach 1945 das Glück, Frieden in Europa zu haben. Dieser Frieden ist aus ebensolchem imperialem Gehabe vom russischen Herrscher Wladimir Putin gebrochen worden, wie einst von Adolf Hitler. Unsere Verpflichtung als Deutsche ist es, Frieden zu bewahren oder wieder herzustellen, gegen Unrecht vorzugehen. Genau deshalb ist es unsere „heilige Pflicht“, unsere Lehre aus der eigenen Geschichte, heute dem ukrainischen Volk in seinem Überlebens- und Freiheitskampf beizustehen. Viel stärker, als wir es bislang tun. Wir sind zu zögerlich. Wir denken, wir können uns „rauskaufen“, so wie sich Deutschland nach 1945 immer rausgekauft hat und mit Waffenlieferungen und trostreichen Worten unseren „kleinen beschissenen Frieden“ erhalten, wenn die Ukraine dafür 20 Prozent ihres Territoriums abgeben muss. So etwa hat es der ehemalige russische Diplomat Boris Bondarew vorige Woche gesagt (ohne das Wort beschissen, das ist von mir).
Seien wir uns unserer Verantwortung als Deutsche bewusst mit den Worten des Osteuropa-Historikers und Friedenspreisträgers Prof. Karl Schlögel "Hitler ist mit Waffen besiegt worden, das muss man mit Putin genauso machen, anders versteht er nicht."